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Interview mit Projektleiter von Skolelinx Knut Yrvin - hier die deutsche Übersetzung



Hallo,

nachstehend die deutsche Übersetzung eines Interviews mit Knut Yrvin, dem
Projektleiter aus Norwegen für Skolelinux.

Das Interview erlaubt Rückschlüsse auf den Stellenwert von Skolelinux und
den Umgang mit der Schulverwaltung in Norwegen und gibt Einblick in die
Eigenschaften von Skolelinux, die aus norwegischer Sicht am wichtigsten sind.

Ich danke lwn.net für die Freigabe der Übersetzung. Das Original-Interview
erschien unter

www.lwn.net/articles/47510

Grüße
Peter
Voigt
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Interview with Knut Yrvin, Projekt-Leiter of Skolelinux

(Dieser Beitrag stammt von Ladislav Bodnar)

Englisches Original veröffentlicht unter
www.lwn.net/Articles/47510

[übersetzt von Peter Voigt]


Traditionell bedeutet September in vielen Teilen Norwegens zurück zur
Schule. Dieses Jahr ist nicht anders. Was einen Unterschied macht, ist, dass viele
norwegische Schüler auf ihren Schulcomputern ein anderes Betriebsystem
vorfinden werden, wenn sie in die Klassenräume zurückkehren. Der Grund liegt nicht
in der außerordentlichen Hitzewelle, die Eurpa im Sommer dieses Jahres
getroffen hat, sondern darin, dass sich die Skolelinux-Entwickler in ihrer Arbeit
nicht haben unterbrechen lassen.

Skolelinux? Ja, Skolelinux, ein Projekt mit dem Ziel, auf Schulen in
Norwegen die kommerziellen Betriebssysteme durch eine Linux-Distribution abzulösen.
Zu den beiden Hauptzielen des Projektes zählen die Fähigkeit, auch auf
leistungsschwachen Computern laufen zu können und alle norwegischen Sprachen zu
unterstützen, auch die weniger verbreiteten. [Anmerkung des Übersetzers: In
Norwegen gibt es drei Hauptsprachen.]

Knut Yrvin, der Projekt-Leiter von Skolelinux war so freundlich, Fragen von
LWN zu beantworten.

LWN: Knut, vielen Dank für deine Zeit. Kannst Du uns die Anfänge von
Skolelinux schildern? Was war das Motiv, mit dem Projekt zu starten?

KNUT: Es begann, als Petter [Reinholdtsen, der Systemarchitekt des
Projektes] und ich uns eines Tages im Juni 2001 auf einer Sommer Party trafen. Wir
sprachen darüber, wie betrüblich es war, dass die meisten lokalen Schulen über
recht alte Computer verfügten, wenige Anwendungsprogramme unter Windows
einsetzten und über wenig Geld zum Aufrüsten verfügten. Wir fanden es frustrierend,
dass Schüler mit Interesse an technischen Details darin gehindert waren, das
Funktionieren solcher Software zu verstehen, weil der Source-Code nicht
offen gelegt ist. Das brachte uns dazu, mit dem Lamentieren aufzuhören und es
einfach selber zu machen. Es kam zu einem ersten Treffen am 02. Juli 2001 mit 13
Teilnehmern, wobei 12 weitere Interessierte nicht persönlich erscheinen
konnten.

LWN: Wie der Name andeutet, ist Skolelinux speziell entworfen für den
Einsatz an Schulen. Wie sollen Schulen überzeugt werden, auf Skolelinux zu
wechseln?

KNUT: Wir setzen auf die Strategie "Sehen heißt glauben". Wir lassen die
Lehrer Skolelinux selber ausprobieren und anschließend entscheiden. Wir erhalten
starke Hilfe von den Unix/Linux-Nutzergruppen im ganzen Land, die uns beim
Einsatz von Skolelinux unterstützen. Der ganze Prozeß entwickelt sich zum
Selbstläufer; wir erhalten immer wieder Rückmeldungen und Berichte von
Installationen an Orten, von deren Existenz wir bis dahin nichts wußten!

LWN: Für Lehrer haben wir eine umfangreiche abgestimmte Dokumentation
geschrieben. Wir bieten ein Handbuch für den täglichen Einsatz, einen
Einführungsleitfaden, einen Kennenlernkurs und weitere schriftliche Unterlagen an. Alles
ist in einer leicht verständlichen, "un-" technischen Sprache geschrieben.

KNUT: IBM Norwegen hilft uns. Sie unterstützen Skolelinux seit Dezember 2002
mit der Folge, dass kurze Zeit später viel mehr Hardwarehändler auf den Zug
gesprungen sind. Auf einmal gab für das Skolelinux-Projekt einen grossen
Rückhalt.

LWN: Wie viele Schulen nutzen Skolelinux bereits?

KNUT: Offiziell rund 20. Unoffiziell liegen uns Berichte von ganzen Städten,
Gemeinden und Provinzen vor, die Skolelinux in ein, zwei Schulen testen,
bevor sie eine offizielle Entscheidung treffen wollen. Wir wissen von einer
IT-Abteilung, die für alle Schulen einer bestimmten Stadt zuständig ist, die ihre
Pläne, Skolelinux einzusetzen, nur deshalb noch nicht bekannt gegeben hat,
weil sie bürokratische Hürden vermeiden wollen. Wir wissen von 8 oder 9
Gemeinden, die im Laufe dieses Jahres auf Skolelinux wechseln wollen. Wir haben
ihnen empfohlen, langsam zu starten, um Erfahrung zu sammeln (und uns Zeit zur
Beseitigung der verbleibenden 5 relaese-kritischen Fehler zu geben ;-)).

LWN: Was für Rückmeldungen sind aus dem Schulbereich gekommen? Kann man
grossen Enthusiasmus für Linux feststellen? Seit ihr auf Vorbehalte gestossen?

KNUT: Ja, wir sind mit entgegenlautenden Ideen konfrontiert worden.
Üblicherweise kamen sie von der Verwaltung in den Gemeinden und von Microsoft-Profis,
die glauben, Windows ist die Antwort auf alle Fragen. Wir versuchen, solche
Leute zu umgehen und setzen auf die Verantwortlichen an den Schulen. Wir
fragen nach deren wichtigen Anliegen, z.B. der Verwendung norwegischer Sprachen,
der Verfügbarkeit eines IT-Budget und Internet-basierenden Lösungen in den
Fällen, in denen das Schulministerium den Schulen vorgibt, ihre Prüfungen über
das Internet durchzuführen.

LWN: In Spanien gibt es mehrere Provinzen, in denen die Regierung den
exklusiven Gebrauch von Linux an allen Schulstufen vorgeschrieben hat. Gibt es in
Norwegen Vergleichbares? Unterstützt die norwegische Regierung Skolelinux?

KNUT: Die Regierung hat bei der Finanzierung des ersten Projektberichtes
geholfen, der den Einsatz freier Software zu Ausbildungszwecken untersucht, und
unterstüzt ähnliche Aktivitäten. Es gibt den Willen, zukünftig weitere
Beiträge zu leisten, so dass den beteiligten Personen für die meiste erforderliche
Arbeit sichere Jobs zur Verfügung stehen.

LWN: Die Entwicklung, Übersetzung, Installation, Instandhaltung und
technische Unterstützung von Skolelinux kostet Geld. Wie soll das Geld für diese
Aufgaben beschafft werden?

KNUT: Anfänglich gab es die NUUG Foundation, die bei der Mittelbeschaffung
half. Das hat die Reisekosten zu den Entwicklertreffen aus verschiedenen
Teilen Norwegens und sogar aus anderen Ländern abgedeckt. Zur Zeit stehen 4 oder 5
von uns auf ihrer Gehaltsliste, um die Kontinuität der Entwicklung, die
effektive Projektleitung und die Übersetzungsarbeit zu gewährleisten.

LWN: Jede erfolgreiche Installation von Skolelinux in Norwegen bedeutet
einen Einnahmeverlust von Microsoft. Gibt es irgendeine Reaktion von Microsoft
Norwegen?

KNUT: Nun, wir haben einen Brief von Steve Ballmer erhalten, in dem er uns
viel Glück mit dem Skolelinux-Projekt wünscht. Das geschah im Anschluß an ein
Treffen mit Microsoft und einem Gespräch am runden Tisch mit einigen
gutbekannten IT-Persönlichkeiten in Norwegen. Das Treffen war von Microsoft angesetzt
worden, die uns eingeladen hatten, an einer 60-minütigen Diskussion
teilzunehmen, um über kontroverse Themen zu sprechen, die den Weg Microsoft betrafen,
ihre Geschäfte zu führen. Es war interessant und Ballmer's konzentrierte
sich auf Fragen wie Sicherheit, geistiges Eigentum etc. Leider mußten wir gehen,
als die Diskussion richtig losging. Auf jeden Fall haben wir von den
Microsoft-Leuten einen angenehmen Eindruck gewonnen und hoffen, dass sie über uns
dasselbe denken. In einigen entscheidenden Punkten betreffend den Umgang mit
Source-Code stimmen wir nicht überein, wollen uns aber auf unsere Aufgabe
konzentrieren und keine Politik betreiben. Wir wissen, dass Microsoft manchen
norwegischen Schulen erhebliche Preisnachlässe angeboten hat, um das Vorankommen
von Skolelinux zu unterminieren.

LWN: Ihr habt Debian GNU/Linux als Basis eurer Distribution gewählt. Gibt es
dafür besondere Gründe?

KNUT: Die Offenheit, die Akzeptanz unserer Beiträge durch Debian Projekte,
apt-get, die konservativen und gut ausgestesteten Softwarepakete und -
natürlich - die Entwicklerszene, dies alles waren wichtige Gründe.

LWN: Vom technischen Standpunkt aus betrachtet, was sind die hauptsächlichen
Aufgaben bei der Entwicklung?

KNUT: Wir arbeiten zur Zeit an dem neuen Debian Installer und genauso stark
an den out-of-the-box Netzwerkdiensten samt -installation. Wir haben eine
Nutzerverwaltung geschaffen, die auf LDAP, Webmin und Netgroups basiert. Grund
ist, dass die IT-Koordinatoren an Schulen ein einfach zu nutzendes,
web-basierendes und sicheres System benötigen, um Nutzerkonto´s für Schüler und Lehrer
einzurichten und zu verwalten. Ein weiterer wichtiger Bereich unserer Arbeit
ist das Schreiben von nutzerfreundlichen Dokumentationen in den lokalen
Sprachen.

LWN: Knut, vielen Dank für deine Zeit und viel Glück für dein Projekt!.





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